"KARAKORUM EXPEDITION 2013" unterstützt vom DAV

Karakorum Expedition 2013
Karakorum Expedition 2013
Karakorum Expedition 2016

ANMARSCH:

Von Islamabad aus fahren wir 800km mit dem Jeep über den Karakorum Highway (KKH). Diese Fahrt über die teils ausgesetzte Piste durch enge Täler und Schluchten ist alleine schon ein Abenteuer. Es geht entlang des Indus, stromaufwärts, an dem mächtigen Nanga Parbat mit 8.125m Höhe vorbei.

Dieser Teil der alten Seidenstrasse ist seit 10.000 Jahren ein Schmelztiegel der Kulturen. Durchziehende Händler, Herrscher und ganze Völker haben ihre Spuren wie in einem Gästebuch mit über 60.000 bis heute bekannten Petroglyphen hinterlassen.

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Von prähistorischen Jagdszenen, einfachsten Handabdrücken und Fruchtbarkeitssymbolen über Felszeichnungen der Perser, Skythen, Parthianer, Kushan (Gandhara), Tibeter, Chinesen zu nestorianisch-christlichen, hinduistischen und buddhistischen Einflüssen mit ihren delikaten Felsskulpturen – jede Kultur hat ihre Zeichen entlang der Handelswege durch diese engen Täler hinterlassen. Und viele dieser einzelnen Täler waren einst unabhängige Königreiche – bis heute sind die unterschiedlichen Sprachen der Einheimischen erhalten geblieben – Burushashki, Shina, Wakhi, Balti, Chitrali – um nur einige zu nennen. Teilweise unterscheidet sich die Sprache bereits auf Sichtweite von einem zum anderen Ende eines Tals.

Karakorum Expedition 2016

Wir erreichen Hunza, eine der ältesten und beeindruckendsten Siedlungen auf unsere Route. Dörfer wie Karimabad, Altit und Ganish heißen die Reisenden bereits aus der Ferne mit ihren Terrassenfeldern, Aprikosen-, Kirsch- und Walnussbäumen willkommen.

Von den frischen Gletscherbächen gespeist, bilden sie kleine grüne Oasen in mitten der sonst ariden Felswüsten der Gebirgszüge des Karakorum, Himalaya und Hindukush.

In Karimabad angekommen, genießen wir das atemberaubende Bergpanorama

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der vielen, über 7.000m hohen Gipfel wie dem Rakposhi, Diran, Ultar und der Fernsicht auf den Spantik.

Weiter nördlich, bei dem Dorf Attabad, wird die Unbeherrschbarkeit der lebensfeindlichen Bergwelt Pakistans eindrücklich sichtbar: Seit 2010 blockiert ein riesiger Erdrutsch den Hunza Fluss in dem engen gleichnamigen Tal und durchtrennt seither die einzige Lebensader der Region, den Karakorum Highway, der Pakistan auch mit China verbindet. Viele Ortschaften am Oberlauf sind von den türkisfarbenen Wassermassen nach und nach verschluckt worden. Um überhaupt erst zum

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Ausgangspunkt der Expedition, dem Eingang zum Shimshal Tal zu gelangen, muss der See mit einer Länge von über 20km und einer Tiefe von bis zu 100m von dem Team per Boot überwunden werden. Eine Jeeppiste kämpft sich durch die Erdmassen vorbei an Felsblöcken größer als ein Haus bis zu dem provisorischen Bootsanleger. Dort besteigen wir die ca. 50 Personen fassenden Fähren und fahren ca. 2h über das türkisfarbene Wasser entlang der schroffen Felswände mitten im Hochgebirge - ein fast surreal wirkendes Panorama.

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Am anderen Ufer angekommen führt uns unsere Reise per Jeep weiter auf den mächtigen Tupodan zu, um kurz hinter Pasu rechts vom KKH auf eine kleine Bergpiste abzubiegen. Die extrem ausgesetzte einspurige Piste führt durch eine versteckte, enge Schlucht, mehrere hundert Meter über dem Shimshal Fluß – diese haarsträubende Strecke verlangt höchstes Vertrauen in den Fahrer, der sich hier, bei der nervenaufreibenden Fahrt entlang der Klippen, keinen noch so kleinen Fehler erlauben darf.

Aber genau diese Piste ist der ganze Stolz der Shimshali – nach 20 jähriger Bauzeit in Eigenleistung der Bevölkerung mühsam aus dem Fels geschlagen, durchbricht sie die Isolation Shimshals erst seit 2003! Bis dato mussten alle Güter, die die Bergbevölkerung nicht selbst herstellen konnte, mühsam über einen mehrtägigen Fußmarsch ins entlegene Tal geschafft werden.

Im Haupttal angekommen beginnen wir unseren Trek, der am nord-östlichen Talende in eine enge Schlucht abbiegt und folgen dem Pamir-i-Tang Fluß. Sir George Cockerill beschrieb die Route wie folgt: “…ein Fluß namens Tang strömt von Nord-Osten her kommend durch eine Schlucht, die so eng ist, dass man sie kaum erkennt und von beiden Seiten mit Steilhängen eingeengt wird, dass man kaum an ein Durchkommen glaubt. Der Pfad steigt über mehrere hundert Meter steil am linken Ufer empor. Während des Anstiegs erreicht man eine offene Ebene, von der man einen wunderbaren Ausblick nach Süd-Osten über das Shimshal Tale über den Yazghil Gletscher hinweg, bis zur Kurdophin Gletscher-zunge und weiter in die Karakorum Hauptkette hinein, erhält…..im weiteren Anstieg wird der Pfad immer enger und mit jedem Schritt schwieriger. Jetzt führt der Weg über rutschige Schotterhänge, die ein paar cm tiefer in den Abgrund abfallen. Hier und da führen knorrige Astbrücken über den bodenlosen Abgrund der Klippen, dann kommt ein Abstieg gefolgt von einem Aufstieg über eine zerbrechlich wirkenden, hölzerne Leiter. Schließlich erreicht man eine Höhe von 3.840m, nur um gleich wieder knapp 500m über steile Felsen genau bis zum Ufer des Tang Flusses abzufallen. Die Schlucht ist hier kaum 14m breit, nichts als eine sonnenlose Spalte im schwarzen Fels. Über und unter großen Felsblöcken umher-kletternd müssen wir den Strom über 14 Mal auf den nächsten 1600m durchqueren. Nicht selten stellen eisüberzogenen Felsen die einzige Variante einer rutschigen Brücke dar. Plötzlich weitet sich die Schlucht auf 45m und auf beiden Seiten steigen Schotterwände empor…..der Weg ist nicht einfach, zuerst traversieren wir einen schroffen Felsvorsprung um dann eine tiefe Schlucht über eine fragile Brücke zu überqueren…und nach weiteren 300m Aufstieg taucht eine flache Ebene auf, über die wir drei bis fünf Kilometer gestapft sind um schließlich eine tiefe Schlucht zu erreichen, an dessen Ende das Steinmännchen stand, das den westlichsten Punkt markiert, den Captain Younghusband (1889) erreicht hat. Kurz dahinter liegt sein letztes Nachtlager bei Shuijerab.”[1]

Aus entgegengesetzter Richtung kommend, notierte Shipton an gleicher Stelle 1937:

“Diese Terrassen sind imposanter, als alles was wir auf der nördlichen Wasserscheide gesehen haben….diese fantastische Schlucht wurde aus den angeschwemmten Ablagerungen durch einen Seitenstrom herausgeschnitten….ohne diesen beeindruckenden Pfad, der von Einheimischen durch diese Schlucht getrieben wurde, wäre dieser Abgrund ein undurchsteigbares Hindernis gewesen….So wie es jetzt war, mit dem, durch bewundernswerte Fähigkeiten konstruierten Treppensystem, war es nun ein leichtes die 500m in die angsteinflößende Schlucht hinabzusteigen. Die Pioniere dieser Route müssen eine beeindruckende Entschlossenheit gehabt haben. Ein anderer Weg als den, den sie gewählt haben, ist kaum vorstellbar. vorzustellen…..Die Schlucht unter uns war so schwer, dass selbst die Genialität der Einheimischen in mehreren hundert Jahren, die Ihnen zur Verfügung standen, keinen Weg hindurch finden konnten, wenn der Fluß seinen Sommerpegel erreicht hat.“[2]

Bereits drei Jahre vor Cockerill erreichte Francis Younghusband die steilabfallende Schlucht und notierte: „Das Tal in dem wir uns befanden, verengte sich bald zu einer steilen Schlucht, durch die die Ponys nicht durchzuführen waren und sogar für Menschen sehr schwierig zu durchqueren.“[3] Von diesem Punkt kehrte Younghusband zurück zum Shimshal Pass. Wir folgen seinen Spuren vorbei an dem “kargen, steilwandigen Shuijerab Tal“[4] um zu dem legendären Shimshal Pass zu gelangen.

Der Shimshal Pass verläuft über die Wasserscheide zwischen Zentralasien und der indischen Tiefebene und war Ausgangspunkt der vielen Raubzüge des Hunza Königreichs auf die reich beladenen Karawanen, die auf der Durchreise zwischen Leh und Yarkand entlang des Shaksgam unterwegs waren. Der Pass wurde für die westliche Welt erst 1889 durch Francis Younghusband entdeckt. Dieser berichtet. „Der Pass stellt einen Pamir dar, eine weite flache Hochebene, die sich zwischen den hohen Bergen zu beiden Seiten erstreckt und zwei kleinere Seen umgibt….Der Shimshal Pass bildet eine dieser bemerkenswerten Senken, auf die man nur selten in diesem Hochgebirge trifft. Vereinzelt findet man saftige Weiden, aber keine Bäume und nur flache zwergwüchsige Büsche..”[5]

Shipton berichtet voller Begeisterung bei seiner Ankunft auf dem Shimshal Pass: “Ich saß für eine lange Zeit auf der Passkuppe, ganz eingefangen von der Magie des Ausblicks….In jede Richtung der Ebene war der Ausblick überwältigend. Die Kalksteingipfel im Süd-Westen scheinen direkt aus den flachen Gletschern zu steigen…in krassen Gegensatz dazu stehen die Jörkul Gipfel mit ihren sanften, eisbedeckten Gipfeln in Norden.“[6] Den Shimshal Lake beschreibt er als „einen großen blauen See mit einer Fläche von einer Quadratmeile oder mehr.“[7]

 

Während die Hunza den Shimshal Pass als Ausgangspunkt für ihre berüchtigten Raubzüge genutzt haben – Younghusband berichtet über einen Fall im Herbst 1888, kurz vor seinem Erscheinen: „Eine Gruppe von 78 Hunza, bewaffnet mit Luntenschlossmusketen, Schwertern und einfachen Keulen und Äxten,…griffen vom Shimshal Pass kommend eine (Kirghisische) Karawane an, stahlen die Güter und entführten 21 kirghisische Männer und Frauen als Sklaven.“[8] – werden wir den Shimshal Pass überschreiten, um uns auf die Suche nach unbestiegenen Bergen machen...

 


[1] Cockerill, George: Pioneer Exploration in Hunza and Chitral,1939, in: Himalayan Journal 11, http://www.himalayanclub.org/journal/pioneer-exploration-in-hunza-and-chitral/

[2] Shipton, Eric: Blank on the Map, 1938, in: Shipton, Eric: The Six Mountain Travel Book, 2012, p.293

[3] Younghusband, Col. Francis Edward: The Heart of a Continent, 1904, pp.232.

[4] Shipton, Eric: Blank on the Map, 1938, in: Shipton, Eric: The Six Mountain Travel Book, 2012, p.292.

[5] Younghusband, Col. Francis Edward: The Heart of a Continent, 1904, pp.231-232.

[6] Shipton, Eric: Blank on the Map, 1938, in: Shipton, Eric: The Six Mountain Travel Book, 2012,

pp.291-292.

[7] Shipton, Eric: Blank on the Map, 1938, in: Shipton, Eric: The Six Mountain Travel Book, 2012, p.292.

[8] Younghusband, Col. Francis Edward: The Heart of a Continent, 1904, pp.197-198.